„Es reicht, wir sind am Limit angelangt.“, erklärt der Aktivist David Miranda mit spürbar emotionaler Stimme. „Schluss mit den Morden an der Jugend, den Schwarzen, an LGBT und den Frauen“.
Es ist ein lauwarmer Abend im Zentrum von Rio de Janeiro. Rund 200 Menschen haben sich auf den Stufen des Tiradentes-Palast versammelt. Anlass der Kundgebung ist der Mord an Diego Vieira Machado. Der Körper des schwarzen, schwulen Literatur-Studenten war am 2. Juli auf dem Campus der Bundesstaatlichen Universität von Rio de Janeiro (UFRJ) gefunden worden. Die Gruppe „Rio ohne Homophobie“ erklärte, dass Diego vor seinem Tod Drohungen erhalten hatte. An die Wand in eines Uni-Klos hatte jemand „Tod den Schwulen der UFRJ“ geschmiert. Freund*innen des Opfers gehen davon aus, dass der 29-Jährige sterben musste weil er schwul war. Damit ist Diego’s Mord kein Einzelfall: alle 28 Stunden stirbt in Brasilien ein Mensch aufgrund von Homo- oder Transphobie. Dies macht Brasilien zum traurigen Spitzenreiter weltweit.
Auch bei tödlicher Polizeigewalt liegt das größte Land Lateinamerikas an erster Stelle. Nirgendwo sonst sterben so viele Menschen durch Polizeikugeln wie in Brasilien. Die große Mehrheit der Opfer ist schwarz und arm. Afrobrasilianische Gruppen sprechen von einem „Genozid an der schwarzen Bevölkerung“. Auch am heutigen Abend begleitet eine überproportionale Anzahl von Polizist*innen in Kampfmontur den Protest. Demonstrativ bauen sie sich vor der Kundgebung auf. „Ich will ein Ende der Militärpolizei“, rufen ihnen die Demonstrant*innen entgegen.
Die Redebeiträge erinnern an die Toten der rassistischen und homophoben Gewalt. Rap- und Funkeinlagen liefen die musikalische Untermalung. Nach einiger Zeit setzen sich die Demonstrant*innen in Bewegung. „Es wird keine Fackel geben“, hallt es durch die engen Straßen des Zentrums – eine Anspielung auf die umstrittenen Olympischen Spiele. Die Demonstration endet vor dem Teatro Municipal im Stadtteil Cinelândia. Auf dem Schild eines Demonstranten ist zu lesen: „Schwarz, schwul und arm. Keiner von uns weniger!“
Text & Fotos: Niklas Franzen, Rio de Janeiro